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Exzellenzcluster NUCLEATE: Leuchtturm der Nukleinsäure-Forschung

22.05.2025

Beim neuen Exzellenzcluster NUCLEATE dreht sich alles um Nukleinsäuren. Der Verbund will ihre vielfältigen Funktionen besser verstehen und neue Anwendungsbereiche erschließen.

Nukleinsäuren kennt jedes Schulkind. Vor allem, weil sie Träger unserer Erbinformation sind: Sämtliche Organismen auf der Erde nutzen DNA und RNA als Buchstaben für den Code, in dem genetische Informationen gespeichert und ausgelesen werden. Beim Menschen und anderen Eukaryoten gibt es in jeder Zelle einen eigenen Ort, an dem die wertvollen Daten in Form von DNA lagern – den Zellkern. „Das ist wie eine Art Referenzbibliothek, aus der Informationen bei Bedarf abgeschrieben werden können“, verbildlicht Veit Hornung, Inhaber des Lehrstuhls für Immunbiochemie am Genzentrum der LMU. Die Abschriften aus der DNA-Bibliothek bestehen aus einer anderen Art von Nukleinsäure: RNA. Sie wird aus dem Zellkern in das Zytoplasma geschleust und dort in Proteine übersetzt. „Die RNA ist also die Blaupause dafür, wie ein Protein aus Aminosäuren zusammengebaut werden soll“, so Hornung.

RNA ist aber viel mehr als das, wie der Wissenschaftler betont: „Wir wissen inzwischen, dass ein Großteil der RNA-Moleküle in der Zelle überhaupt nichts mit der Translation von Proteinen zu tun hat.“ Sie stabilisieren zum Beispiel die Transkripte, um deren Haltbarkeit zu erhöhen, oder übernehmen sogar Aufgaben, die man sonst nur von Enzymen kennt. Es gibt eine Vielzahl solcher zusätzlichen Funktionen von Nukleinsäuren, die weit über die Funktion als Informationsspeicher und -vermittler hinausgehen.

Großes Potenzial für Forschung, Medizin und Technologie

Diese Erkenntnis hat in den letzten Jahrzehnten zu einem regelrechten Boom in der Nukleinsäure-Forschung geführt. Das Feld hat nicht zuletzt auch deswegen so an Fahrt aufgenommen, weil man das enorme therapeutische und biotechnologische Potenzial erkannt hat. Heute kann man RNA- und DNA-Moleküle auch synthetisch herstellen und damit beispielsweise bestimmte Funktionen in der Zelle reprogrammieren. Besonders bekannt ist das CRISPR/Cas-System, bei dem man kleine RNA-Moleküle mit einem Enzym kombiniert und dadurch sehr präzise Schnitte im Genom setzen kann.

Während der Corona-Pandemie rückte die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen in den Fokus des öffentlichen Interesses – und trug entscheidend zur globalen Eindämmung von SARS-CoV-2 bei. „Andere Nukleinsäuren, die man therapeutisch bereits nutzt, sind Antisense- und siRNA-Moleküle“, erklärt Hornung. „Das sind kleine DNA- und RNA-Moleküle, die man in die Zelle einschleust. Sie binden komplementär an mRNAs und können diese gezielt abbauen.“

Prof. Dr. Veit Hornung

Prof. Dr. Veit Hornung ist einer der Sprecher des neuen Exzellenzclusters NUCLEATE.

© LMU / Stephan Höck

Doch das Ende der Fahnenstange, da ist sich Hornung sicher, ist noch lange nicht erreicht. „Der Bereich wird sich dramatisch weiterentwickeln“, sagt er. „Künftig können wir immer gezielter und präziser ins Genom eingreifen.“ Das Potenzial für die medizinische und technologische Anwendung sei immens. Viele Fragen sind dabei noch offen: Zum Beispiel, wie man nukleinbasierte Wirkstoffe im Körper der Patientinnen und Patienten gezielt an den richtigen Ort bringt, um in bestimmten Zellen eine Gen-Editierung zu ermöglichen.

Derzeit lassen sich Zellen aus dem Körper entnehmen, im Labor genetisch verändern und wieder zurückübertragen. Der ‚heilige Gral‘ des Feldes ist jedoch die präzise Genom-Editierung direkt im Körper – sogenannte In-vivo-Gentherapien. Erste experimentelle Ansätze dafür gibt es bereits, und unter anderem durch die Forschung im Cluster werden solche Technologien weiter vorangetrieben.

„Mit NUCLEATE werden wir ganz vorne mit dabei sein, dieses Potenzial zu nutzen und auszuweiten“, sagt LMU-Professor Veit Hornung. Gemeinsam mit Professor Stefan Engelhardt von der Technischen Universität München (TUM) und Professorin Cynthia Sharma von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) bildet er das Sprecherteam des neuen Exzellenzclusters, der die wissenschaftliche Expertise der drei Universitäten bündelt.

Therapeutische und biotechnologische Aspekte sind aber nur ein Teil des Clusters. Bei NUCLEATE wird auch sehr viel Wert auf die Grundlagenforschung gelegt. Denn viele Funktionen und Eigenschaften von Nukleinsäuren sind nach wie vor unbekannt oder kaum untersucht. „Natürlich spielt die Schnittstelle zur Praxis eine wichtige Rolle, aber für uns hat die Grundlagenforschung nicht nur eine Daseinsberechtigung, wenn sie direkt in die Anwendung führt“, betont Hornung. „Die großen Durchbrüche der letzten Jahrzehnte waren von wissenschaftlicher Neugier getrieben und kamen aus der Grundlagenforschung, nicht aus der angewandten Forschung.“

Eine Vision für die Nukleinsäure-Forschung

Die Vision von NUCLEATE betrachtet Nukleinsäuren aus drei Blickwinkeln: als Subjekt, als Objekt und als Instrument. Man will damit einen neuen Blick auf das Feld schaffen: Wo man sich für neue Funktionen von Nukleinsäuren interessiert, sieht man die Nukleinsäuren als Subjekt. Dabei sind die Nukleinsäuren die treibenden Kräfte, die etwas in der Zelle bewirken. Als Objekt sieht der Cluster Nukleinsäuren, wenn mit ihnen etwas in der Zelle gemacht wird, Modifikationen, Prozessierungen oder ihr Abbau. Und als Instrument sieht NUCLEATE die Nukleinsäuren, wenn mit ihnen etwas im therapeutischen oder im technologischen Sinne erreicht werden soll.

Ein Exzellenzcluster biete die einmalige Chance, große Sprünge zu wagen – sowohl in der Erforschung der Grundlagen als auch bei der Erschließung neuer Anwendungsbereiche. Nukleinsäure-Forschung wird weltweit in größeren Verbünden gefördert, aber in Deutschland und Europa ist NUCLEATE der erste Cluster auf diesem Gebiet. Damit schließt sich eine längst überfällige Lücke, denn Deutschland ist eigentlich schon lange sehr gut aufgestellt, was Nukleinsäure-Biologie und translationale Forschung dazu angeht.

Mehrfach-Pipettiergerät im Labor von Veit Hornung

Die Vision von NUCLEATE betrachtet Nukleinsäuren aus drei Blickwinkeln: als Subjekt, als Objekt und als Instrument.

© LMU / Jan Greune

Durch NUCLEATE werden die einzelnen Gruppen in München und Würzburg enger miteinander verknüpft werden: „Wir sind extrem interdisziplinär aufgestellt. Von der Organischen Chemie und Biochemie über die Zell- und Mikrobiologie bis zur Medizin und Tiermedizin haben wir fast alle Fächer der Naturwissenschaften mit dabei“, meint Hornung. Außerdem spiele die computergestützte Biologie eine wichtige Rolle. Mit Künstlicher Intelligenz wollen die Forschenden ihre Daten analysieren und basierend darauf Modelle generieren, die es ihnen in Zukunft erlauben, das Verhalten von Zellen vorherzusagen.

Geballte Expertise für erfolgreichen Forschungstransfer

Was die Expertise der drei Partneruniversitäten angeht, ist die LMU besonders stark in der Biochemie und Strukturbiologie, also den molekularen Grundlagen der Nukleinsäure-Forschung. Die Stärke der TUM liegt in der Translation in die Therapie, den organismischen Modellen, den Tiermodellen und im Patientenbezug. Die JMU hat einen besonderen Schwerpunkt in der Infektionsbiologie und der Nukleinsäure-Biologie von Krankheitserregern.

„Das sind deutschlandweit und weltweit drei wirklich herausragende Profile, die wir hier zusammenbringen“, freut sich Hornung. Des Weiteren seien im NUCLEATE-Umfeld zahlreiche Spitzen-Biotechnologie-Unternehmen. „Zudem haben wir aus unserem wissenschaftlichen Umfeld heraus bereits eigene Firmen gegründet“, erläutert er. „Das heißt, wir haben eine sehr gute Anbindung an die Biotechnologie und Industrie, um unsere Forschung in die Anwendung bringen zu können.“

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Ein neu konzipiertes Masterprogramm wird die drei Standorte miteinander weiter verbinden. Die Studierenden rotieren durch die jeweiligen Labore, streuen das Know-how und tragen zur Vernetzung der Forschungsgruppen bei. Dadurch schafft NUCLEATE eine Bottom-up-Verzahnung der einzelnen Gruppen. „Es gibt bereits viele Synergien zwischen den einzelnen Standorten und Disziplinen, die wir nun gezielt weiter fördern wollen. Dazu werden wir neue Professuren und Forschungsgruppenleitungen rekrutieren, die standortübergreifend Themen und Methoden verbinden.“

Innerhalb der nächsten Jahre wollen die Forschenden NUCLEATE zum führenden Zentrum für Nukleinsäure-Forschung in Europa machen. Veit Hornung bringt das Ziel auf den Punkt: „NUCLEATE soll ein Motor für Innovation und ein Magnet für Nachwuchs sein. Wir erwarten grundlegende Einsichten in die Zellbiologie – und damit neue Impulse für die Medizin von morgen.“

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